21.01.2017 14:47

VORWORT:

Nicht alles, was umgangssprachlich durchaus noch "Jeder" versteht, ist auch technisch korrekt. Bereits in den 1970-er Jahren wurde definiert, dass es beispielsweise nicht mehr "Schraubenzieher", sondern "Schraubendreher" heißt, denn damit zieht man Schrauben ja nicht, sondern man dreht sie. Der "Zollstock" wurde in "Gliedermaßstab" umbenannt, weil man damit bei uns ja schon lange nicht mehr in Zoll, sondern in Metern misst, wobei m. E. in Anlehnung an das "Bandmaß" die Umbenennung in "Klappmaß" oder "Faltmaß" leichter von der Zunge gehen würde, aber sei's d'rum.

Auch im Waffenbereich findet man mitunter Begriffe, die technisch nicht korrekt sind. So spricht man beispielsweise oft von "Luftdruckwaffen". Unter Luftdruck versteht man allerdings den Druck der uns umgebenden Atmosphäre. Um ein Geschoss anzutreiben bedarf es daher eines wesentlich höheren Druckes, also "Pressluft" bzw. "Druckluft".

Bei Bögen und Armbrüsten findet man meist die Angabe des "Zuggewichtes" in der Einheit lbs (engl. Gewichtseinheit). Physikalisch handelt es sich beim Spannen allerdings gar nicht um ein Gewicht, sondern um eine Kraft, und die wird weder in lbs noch in kg, sondern in N (Newton) gemessen. Korrekt müsste man also nicht das "Zuggewicht", sondern die "Zugkraft" angeben. Noch präziser wäre die Bezeichnung "Spannkraft", denn man kann eine Kraft ja sowohl durch Ziehen, als auch durch Drücken ausüben.

Nicht korrekte Bezeichnungen in der Umgangssprache werden zwar meist dort toleriert, wo man trotzdem weiß, was damit gemeint ist, doch um sich nicht als Laie zu outen, sollte man doch besser die korrekten Bezeichnungen verwenden. Insbesondere bei physikalischen Größen ist das sogar unverzichtbar, sobald man mit ihnen etwas berechnen muss. Daher im Folgenden ein paar Beispiele, die auch im Zusammenhang mit Waffen Bedeutung haben.


PHYSILALISCHE GRÖSSEN, EINHEITEN UND FORMELN:

Größen sind beispielsweise Zeit, Weg und Masse. Einheiten dagegen sind Sekunde, Meter und Kilogramm.

Im Folgenden nenne ich zuerst die Größen und dahinter (in Klammern) die zugehörigen Einheiten, wobei an erster Stelle die jeweils so genannte Basiseinheit steht, die man ohne Umrechnung direkt in die jeweiligen Grundformeln einsetzen kann.

Masse (Kilogramm, Gramm, Tonne,...)
m (kg, g, t,...)
Statt "Masse" wird umgangssprachlich auch der Begriff "Gewicht" verwendet.

Weg bzw. Strecke (Meter, Millimeter, Kilometer,...)
s (m, mm, km,...)
Statt "Weg" werden oft auch Begriffe verwendet, die erkennen lassen, um welche Art von Weg es sich handelt, also z. B. "d" bzw. "r" für "Durchmesser" bzw. "Radius" oder "B/H/T/L" für "Breite/Höhe/Tiefe/Länge".

Zeit (Sekunde, Minute, Stunde,...)
t (s, min, h,...)

Temperatur (Kelvin, Grad Celsius, Grad Fahrenheit,...)
T (K, °C, °F,...)
Die Kelvin-Skala beginnt beim absoluten Nullpunkt, weshalb es in dieser Einheit keine Temperatur mit negativem Vorzeichen gibt. Weniger als "nichts" geht nun mal nicht. Es heißt übrigens tatsächlich nur "Kelvin" bzw. "K", also nicht "Grad Kelvin" bzw. "°K". Im Gegensatz zu K sind sowohl °C, als auch °F für Berechnungen eher ungeeignet.

Diese so genannten Basisgrößen sind die, aus denen sich andere "zusammengesetzte" Größen berechnen lassen. Die "Geschwindigkeit" ist beispielsweise der "Weg", der in einer bestimmten "Zeit" zurückgelegt wird, also in der Einheit "Meter pro Sekunde" (m/s) oder "Kilometer pro Stunde" (km/h) angegeben wird.

Zwischenbemerkung:
Wie man oben sieht, scheinen manche Buchstaben zweideutig zu sein, da sie für unterschiedliche Begriffe verwendet werden. Der Schein trügt allerdings, denn wenn ein Buchstabe alleine steht, handelt es sich i.d.R. um eine "Größe", und in Verbindung mit einem Zahlenwert um eine "Einheit". Der Buchstabe "m" steht alleine also für "Masse" und in Verbindung mit einer Zahl, z.B. "10 m" für "Meter". Auch Groß- und Kleinschreibung sind eindeutige Unterscheidungsmerkmale. So steht beispielsweise das kleine "t" für "Zeit" (time) und das große "T" für "Temperatur".

Zusammengesetzte Größen und Einheiten:

Geschwindigkeit (Meter pro Sekunde, Kilometer pro Stunde, feet per second...)
v (m/s, km/h, fps,...)
Gelegentlich sieht man statt "km/h" auch "kmh" (ohne Schrägstrich), was aber nicht korrekt ist.
Gleichung:
v = s / t (m/s)

Hinweis:
Bei der Geschwindigkeit von Geschossen ist oft nicht von "v", sondern von "v0" die Rede. Hierbei handelt es sich nicht um den Kleinbuchstaben "o", sondern um die Ziffer "0" ( Null), um damit zum Ausdruck zu bringen, dass die Anfangsgeschwindigkeit in der Entfernung von 0 m von der Mündung gemeint ist. Wenn man aus beispielsweise 0,3 m Entfernung durch einen Chrony schießt, misst man strenggenommen also gar nicht v0, sondern v0,3. Der Unterschied ist allerdings so gering, dass man ihn mit einem Chrony ohnehin nicht messen und somit vernachlässigen kann. Messbar wird die Geschwindigkeitsabnahme erst in größeren Entfernungen. Die Geschwindigkeit beim Auftreffen auf ein 10 oder 25 Meter entferntes Ziel wäre dann z.B. v10 bzw. v25. Solche Indizes können aber auch andere Bedeutung haben, z.B. bei Messreihen können sie für den 1., 2., 3. usw. Schuss stehen. Bei Geschwindigkeitsmessungen steht die Null aber stets für den Start-, also den Mündungswert. Das gilt übrigens auch für andere Größen, wie z.B. die Energie (E0 = Mündungsenergie).

Beschleunigung (Meter pro Sekundenquadrat)
a (m/s²)
Im Falle der Erdanziehung wird statt "a" das Zeichen "g" (für "Gravitation") verwendet. Da diese an den meisten Stellen der Erdoberfläche relativ konstant ist, hat man sich dafür auf den durchschnittlichen Wert von "9,81 m/s²" geeinigt. Für grobe Überschläge tut's auch mal der gerundete Wert von "10 m/s²".
Gleichung:
a = 2 * v / t bzw. a = 2 * s / t²
Der Faktor "2" in der Formel wird verständlich, wenn man sie umstellt, um den zurückgelegten Weg zu berechnen:
Aus...
a = 2 * s / t²
...wird dann...
s = a * t² / 2
Wenn sich ein Köper mit konstanter Geschwindigkeit (siehe oben unter "Geschwindigkeit") bewegt, dann legt er in einem bestimmten Zeitraum einen bestimmten Weg zurück. Bei einer Beschleunigung aus dem Stillstand ist die Anfangsgeschwindigkeit aber gleich Null. Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist demzufolge dann nur halb so groß, wie die Endgeschwindigkeit. Folglich ist auch der zurückgelegte Weg nur halb so lang, wie bei konstanter Geschwindigkeit. Daher der Faktor "2".

Kraft (Newton, Millinewton, Kilonewton,...)
F (N, mN, kN,...)
Gleichung:
F = m * a bzw. F = m * 2 * s / t²
Beispielaufgabe: Berechne die Gewichtskraft eines Körpers mit der Masse von 100 kg!
F = m * a
Da hier die Erdanziehung zugrunde zu legen ist, nimmt man i.d.F. statt "a" die konstante "g" (siehe unter "Beschleunigung"):
F = m * g
F = 100 kg * 9,81 m/s²
F = 981 kg*m/s² = 981 N


Druck (Pascal, Hektopascal, Bar, Millibar)
p (Pa, hPa, Bar, mBar)
Gleichung:
p = F / A (Kraft pro Flächeneinheit)
Barometer haben ihren Namen übrigens von der Maßeinheit Bar. Ursprüngliche Referenz für die Einheit des Druckes war der Luftdruck, den man als 1 Bar festlegte. Dies basierte allerdings auf dem Irrtum, dass der Luftdruck eine konstante Größe sei. Die heute verwendete Einheit ist daher das Pascal (Pa), das als 1 N/m² definiert ist. Meteorologen verwenden meist die Einheit Hektopascal (hPa), da sie vom Betrag her etwa der von ihnen zuvor verwendeten Einheit Millibar (mBar) entspricht und somit die Zahlenwerte älterer Barometer mit neueren annähernd identisch sind.
Umrechnungswert:
1 Bar = 100.000 Pa = 100 kPa

Energie bzw. Arbeit (Joule, Kalorien,...)
E (J, cal,...) Umrechnungsfaktor: 1 cal = 4.1868 J
Gleichung:
E = m * v² / 2 (kinetische Energie)
E = m * g * h (potenzielle Energie)
Beispiele:
Ein Diabolo mit einer Masse von 0,49 g fliegt mit einer Geschwindigkeit von 175 m/s.
E = m * v² / 2
E = 0,00049kg * (175m/s)² / 2
E = 7,5 J
Ein Hammer mit einer Masse von 500 g fällt aus einer Höhe von 1,53 m auf den Boden.
E = m * g * h
E = 0,5kg * 9,81m/s² * 1,53m
E = 7,5 J
Die maximal zulässige Energie freier Waffen entspricht also der eines aus gut anderthalb Metern Höhe fallenden 500g-Hammers.
Anmerkung:
Da die von Waffen abgegebene Energie bei jedem einzelnen Schuss abgegeben wird, müsste es bei der Angabe technischer Daten genau genommen nicht einfach "Joule", sondern "Joule pro Schuss" heißen. Gibt man beispielsweise mit so einer Waffe 100 Schuss ab, dann sind das 750 Joule. Das wäre dann die Schussenergie, die man in dem Fall beispielsweise aus einer CO2-Kapsel heraus geholt hat. In einer solchen Kapsel steckt zwar noch weit mehr Energie, allerdings wird ein Teil davon anderweitig aufgezehrt, z.B. durch Reibung, Repetieren, Cool-down, Blow-back und so weiter.


Leistung (Watt, Kilowatt, Pferdestärke,...)
P (W, kW, PS,...) Umrechnungsfaktor: 1kW = 1,35962 PS, wobei der im Englischen bzw. Amerikanischen übliche Begriff "HP" (horsepower) im Wert etwas abweicht: 1kW = 1,34102 HP
Gleichung:
P = E / t
(Energie in Joule durch Zeit in Sekunden)
Bei Elektrizität auch:
P = U * I
(Spannung in Volt mal Strom in Ampere)
Verschießt man die etwa 750 Joule Energie einer CO2-Kapsel innerhalb einer Stunde, berechnet sich das wie folgt.
P = E / t
P = 750J / 3600s
P = 0,2 W = 0,0002 kW (gerundet)
Verschießt man dieselbe Energie in 12, 5 Minuten, wäre das eine Leistung von genau einem Watt:
P = 750J / 750s
P = 1 W

Impuls (Masse mal Geschwindigkeit)
P→ (kg * m/s)
(Der Pfeil gehört eigentlich nicht neben, sondern über das "P". Hab' ich aber leider in meinem Zeichensatz nicht gefunden.)
Ein Impuls ist ein harter Aufprall und wird ganz oder teilweise von einem Körper an einen anderen weitergegeben, wie es z.B. bei Billardkugeln der Fall ist.
Beim Auftreffen eines Geschosses auf ein Ziel handelt es sich meist um eine Mischung aus Energie und Impuls. Die Energie ist das, was zu Verformung führt, während der Impuls das Ziel in Bewegung versetzt. Beim Schießen auf Knetmasse ist also vorwiegend Energie im Spiel, wogegen bei Klappzielen mehr der Impuls zum Tragen kommt.

Dichte (Kilogramm pro Kubikmeter, Gramm pro Kubikzentimeter, Kilogramm pro Liter,...)
γ (kg/m³, g/cm³, kg/l,...) (γ = Gamma)
Gebräuchlich ist die Angabe in g/cm³ bzw. kg/l, was vom Betrag (Zahlenwert) das Gleiche ist. Man hat diese von den Grundeinheiten abweichenden Angaben wohl gewählt, um "vorstellbare" Werte zu bekommen. Der in Werkstofftabellen angegebene Wert muss daher ggf. noch in kg/m³ umgerechnet werden.
Bei der Festlegung der Einheit der Dichte bezog man sich auf die Referenz Wasser, bei dem 1kg exakt 1Liter entspricht. Bei der Dichte handelt es sich um eine Materialeigenschaft, die bei konstanten Umgebungsvariablen (Temperatur, Druck,...) ebenfalls konstant bleibt. Die Angabe der Dichte von Werkstoffen bezieht sich daher i.d.R. auf eine Umgebungstemperatur von 293K (20°C) und einen Umgebungsdruck von 1000 hPa = 100 kPa (1000 mBar = 1Bar).

SCHLUSSBEMERKUNG

Das soll's dann erstmal gewesen sein. Bei Interesse werde ich zu einem späteren Zeitpunkt auch gerne an praktischen Beispielen aus dem Schießsport erläutern, welche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Größen bestehen, zum Beispiel, wie man anhand von Geschossmasse und Schussenergie den mindestens zu erwartenden Höhenabfall eines Geschosses auf verschiedene Distanzen berechnen kann.

Allen, die bis hierher durchgehalten haben, ein Danke für die Aufmerksamkeit!
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02.02.2019 23:03

Ergänzung zum Unterschied zwischen Energie und Impuls:

Energie und Impuls wirken sich zwar unterschiedlich auf ein Zielobjekt aus, aber es ist keineswegs so, dass beide Größen unabhängig voneinander zur vollen Verfügung stehen, sondern man muss es als eine Art Summe verstehen.

Grob kann man sagen, dass Energie zu Verformung, Impuls dagegen zur Bewegung führt. Je nach Material(ien) und Geschwindigkeit überwiegt entweder das Eine oder das Andere.

Schießt man zum Beispiel auf eine frei stehende Blechdose und die wird dabei vom Geschoss weggeschoben, dann wird dabei ein Teil der Geschoss-Energie als Impuls an die Dose abgegeben und steht somit nicht mehr dem Geschoss zur Verfügung, so dass für die Verformung der Dose (Beule, Loch) weniger Energie verbleibt, als wenn die Dose unverrückbar fest stünde, sich also nicht bewegen kann.

Gleiches gilt für die Geschosse selber. Wenn ein weiches Geschoss (Blei, Zinn, Kunststoff,...), beim Aufprall verformt wird, dann wird ihm dadurch ein Teil seiner kinetischen Energie (Bewegungsenergie) entzogen, so dass genau um diesen Betrag weniger Energie übrig bleibt, um das Zielobjekt zu bewegen und/oder zu verformen. Harte Geschosse dagegen (Stahl, Glas, Keramik,...), die sich nicht verformen geben (sofern sie nicht zerplatzen) nahezu ihre volle Schuss-Energie an das Zielobjekt ab.

In welchem Verhältnis Bewegung und Verformung des Zielobjektes zueinander stehen, hängt allerdings nicht nur von seinen Material-Eigenschaften und denen des Geschosses ab, sondern auch von der Geometrie des Geschosses. Denn ein eher spitzes Geschoss kann i.d.R. leichter in einen Körper eindringen, als ein eher flaches.

Zuletzt von Tarkus the Maverick am Fr 13 Sep 2024 - 22:26 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet (Grund : Ergänzungen und "Kosmetik")